Ukrainer fassungslos über Bürgergeld-Aus: „Ich möchte hier leben und arbeiten“

Bürgergeld Ukrainer

Nach dem 1. April verlieren viele Ukrainer das Bürgergeld. Betroffene erzählen, wie die neue Regelung ihr Leben verändert.

Die Nachricht kam still, aber mit Wucht. Bürgergeld Ukrainer – drei Worte, die plötzlich über die Zukunft Tausender entscheiden. Seit dem 1. April erhalten Geflüchtete, die nach diesem Stichtag in Deutschland ankamen, kein Bürgergeld mehr. Stattdessen fallen sie unter das Asylbewerberleistungsgesetz. Für viele, die gerade erst begonnen hatten, hier Fuß zu fassen, ist das ein Schock. Und wer an diesem kühlen Vormittag vor dem Beratungszentrum am Berliner Treptower Park steht, spürt, wie tief diese Verunsicherung geht.

Bürgergeld Ukrainer: Zwischen Hoffnung und Gesetzesänderung

Das Beratungszentrum liegt in einem grauen Einkaufszentrum aus den Neunzigern. Neonlicht, Linoleumboden, gedämpfte Stimmen. Draußen drängen sich Menschen mit Aktenordnern und Plastikhüllen, warten geduldig auf ihren Termin. Die meisten sind jung, viele sprechen kaum Deutsch, einige telefonieren leise mit ihren Familien. Eine Beraterin sagt: „Heute haben wir doppelt so viele Anfragen wie sonst. Jeder will wissen, was jetzt mit dem Geld passiert.“

Die neuen Regeln treffen vor allem jene, die nach dem Stichtag eingereist sind. Rund 83.000 Ukrainerinnen und Ukrainer verlieren ihren Anspruch auf Bürgergeld – sie erhalten künftig niedrigere Asylbewerberleistungen. Offiziell begründet die Bundesregierung das mit dem Ziel, die Sozialausgaben zu entlasten und Anreize zur Arbeitsaufnahme zu schaffen. Doch hier, in den Fluren des Beratungszentrums, spürt man eher Angst als Aufbruch.

Andrii Mikhov steht in der Warteschlange. 21 Jahre alt, aus Odessa, allein nach Berlin gekommen. „Ich wusste, dass ich kein Bürgergeld mehr bekomme“, sagt er auf fließendem Englisch. „Aber was soll ich machen? Ich will arbeiten, studieren, leben.“ Er wohnt in einer Unterkunft am Tempelhofer Feld, studiert eigentlich Computer-Ingenieurwesen, träumt von einem normalen Alltag.

Er sieht nicht wütend aus, nur müde. „Deutschland gibt uns viel“, sagt er. „Aber das Leben hier ist teuer. Viele Familien schaffen es kaum, selbst mit Unterstützung.“ Seine Augen bleiben ruhig, doch die Stimme kippt leicht. „Ich würde das Geld nehmen und später zurückzahlen. Viele denken so.“

Wenn Unterstützung endet: Junge Geflüchtete zwischen zwei Welten

Andrii ist kein Einzelfall. Immer mehr junge Männer dürfen aus der Ukraine ausreisen – die Armee braucht sie nicht sofort, und manche Eltern drängen ihre Söhne fort, in Sicherheit. Sie kommen mit Hoffnung, Energie und stoßen hier auf ein System, das gerade umstellt.

Im gleichen Wartebereich steht Miroslav Petryshyn, 18, erst seit einem Monat in Berlin. Zusammen mit seiner Mutter sucht er Rat zu seinem Aufenthaltsstatus. Auch er wird kein Bürgergeld bekommen. „Es ist eine falsche Entscheidung“, sagt er leise. „Viele brauchen Hilfe. Aber ich verstehe auch, dass die Deutschen ihr Land schützen wollen.“

Diese Mischung aus Verständnis und Frustration zieht sich durch viele Gespräche. Kaum jemand erhebt die Stimme. Die meisten versuchen, rational zu bleiben, auch wenn die Verunsicherung tief sitzt. „Ich lebe in einem Land, das nicht meines ist“, sagt Andrii Mikhov später nachdenklich. „Meine Stimme zählt hier nicht. Aber ich lebe hier. Und ich will etwas beitragen.“

Vor der Tür steht ein blinder Mann mit Kinderwagen, die Augen hinter einer Brille aus Kunststoffglas verborgen. Er sagt nichts, hört nur zu. Ein anderer Flüchtling irrt mit Unterlagen im Arm durch den Flur, sucht das Jobcenter, findet nur Ratlosigkeit. Es sind Momentaufnahmen, die zeigen, wie nah Hoffnung und Ohnmacht beieinanderliegen.

Bürgergeld Ukrainer: Zahlen, Menschen, Realität hinter der Statistik

Deutschland hat rund 1,25 Millionen ukrainische Geflüchtete aufgenommen. Rund 700.000 Ukrainerinnen und Ukrainer in Deutschland erhalten derzeit Bürgergeld – viele von ihnen sind Familien mit Kindern. Hinter diesen Zahlen stehen Geschichten von Neuanfängen – Menschen, die Deutsch lernen, Bewerbungen schreiben und sich ein neues Leben aufbauen. Manche arbeiten schon, andere kämpfen sich noch durch Kurse und Formulare. Laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung haben inzwischen 242.000 von ihnen einen Job gefunden – rund ein Drittel. Ein stiller Fortschritt, der zeigt, wie viel Wille in diesen Neuanfängen steckt. Und sie steigt weiter, Schritt für Schritt.

Die Zahlen wirken nüchtern, doch dahinter stehen Menschen, die täglich zwischen Sprachkurs, Arbeitssuche und Behördenstress pendeln. In Berlin wird diese Realität greifbar. „Wir haben Angst, dass viele aufgeben“, sagt Darina Zaretskaya vom Verein Laru Helps Ukraine, der das Beratungszentrum betreibt. „Wenn die Unterstützung sinkt, bleibt weniger Zeit zum Lernen und Suchen. Dann geraten sie in eine Schleife aus Unsicherheit und Bürokratie.“

Die Projektleiterin spricht ruhig, fast sachlich, doch ihre Augen verraten Sorge. Sie weiß, dass die Nachfrage nach Beratung weiter steigen wird. „Es geht nicht nur ums Geld. Viele verstehen das System einfach nicht. Sie wissen nicht, wo sie hingehen müssen oder welche Rechte sie haben.“

Hinter ihr stapeln sich Formularordner und Anträge. Ein Symbol für die neue Realität: weniger finanzielle Sicherheit, mehr Bürokratie. Und mitten darin Menschen, die eigentlich nur ankommen wollten.

Zwischen Bürokratie und Neubeginn: Was bleibt, wenn das Geld fehlt

Die politische Begründung für die Reform ist klar: Das Bürgergeld soll gezielter eingesetzt werden. Neu angekommene Ukrainerinnen und Ukrainer sollen über das Asylsystem laufen, was weniger Kosten bedeutet und angeblich „den Verwaltungsaufwand vereinheitlicht“. In der Praxis führt das zu Verwirrung.

Viele der Betroffenen sind ratlos, weil sie nicht wissen, wer ihnen jetzt weiterhelfen kann. Das Jobcenter? Das Sozialamt? Der Weg dorthin ist ein Labyrinth aus Formularen und Fristen. Und während Politiker über Zahlen sprechen, versuchen Menschen wie Andrii Mikhov, irgendwie weiterzumachen. „Ich will nicht nur nehmen“, sagt er. „Ich will lernen, arbeiten, zurückgeben.“

Seine Worte klingen einfach, fast naiv – und genau darin liegt ihre Stärke. Er steht für eine Generation, die weder Schuld noch Macht trägt, aber die Folgen politischer Entscheidungen spürt. Er sagt, er wolle seine Mutter nachholen. Doch sie bleibt in Odessa, schläft kaum wegen der Drohnenangriffe. „Jeden Abend telefoniere ich mit ihr“, sagt er. „Sie sagt, sie sei stolz. Aber manchmal schweigt sie einfach.“

Im Hintergrund öffnet sich wieder die Glastür, eine neue Gruppe betritt das Beratungszentrum. Stimmengewirr, Schritte auf dem kalten Boden. Der Tag wird lang, für alle hier.

Bürgergeld Ukrainer – zwischen Hoffnung, Verantwortung und Realität

Das Thema Bürgergeld Ukrainer ist längst mehr als eine Verwaltungsfrage. Es geht um Vertrauen, Fairness und Perspektiven. Für die Bundesregierung ist es ein Balanceakt zwischen Solidarität und Systemgrenzen. Für die Betroffenen ist es eine existentielle Erfahrung.

Wer die Geschichten aus dem Berliner Beratungszentrum hört, versteht, dass Integration mehr braucht als Gesetze. Sie braucht Geduld, Orientierung und das Gefühl, willkommen zu sein – auch dann, wenn die Regeln sich ändern.

Und vielleicht ist das der eigentliche Prüfstein dieser Zeit: nicht, wie viel Geld der Staat geben kann, sondern wie viel Menschlichkeit bleibt, wenn er es kürzt.

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