Weniger Pausen, mehr Produktivität – das ist der Kern einer Diskussion, die regelmäßig zurückkehrt: Soll man wirklich Feiertage streichen in Deutschland, um die Wirtschaft anzukurbeln? Während Gewerkschaften protestieren, fordern Manager neue Opfer. Zwischen Tradition und Effizienz prallen Welten aufeinander. Und plötzlich steht die Frage im Raum, wie viel Erholung sich ein Land noch leisten kann.
Wenn Arbeit über Tradition siegt: Warum Feiertage zur Zielscheibe werden
Kaum ein Thema spaltet die Nation so verlässlich wie die Idee, freie Tage zu opfern, um mehr zu arbeiten. Politiker, Wirtschaftslenker und Unternehmer wiederholen seit Jahren, die Deutschen hätten zu viele Pausen im Kalender. Die Zahlen scheinen auf den ersten Blick für sie zu sprechen: Rund 1.343 Arbeitsstunden pro Jahr, deutlich weniger als in Österreich oder der Schweiz.
Die Forderung, einzelne Feiertage zu streichen, kommt vor allem aus den Reihen der Wirtschaft. Nicola Leibinger-Kammüller, Chefin des Hightech-Konzerns Trumpf, brachte die Feiertags Abschaffung Ostermontag ins Gespräch. Ihre Begründung: „Wir haben zu viele Feiertage und die meisten Krankheitstage.“ Ein Satz, der polarisiert.
Ihr sekundiert Bertram Brossardt, Geschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft. Er nennt drei konkrete Streichkandidaten, die seiner Meinung nach „ökonomisch nicht mehr zu rechtfertigen“ sind:
- Ostermontag
- Pfingstmontag
- Zweiter Weihnachtsfeiertag
Er verweist auf Nachbarländer, in denen an diesen Tagen ganz normal gearbeitet wird. Dort wundere man sich, dass Deutschland an so vielen Tagen stillsteht. Seine Botschaft ist klar: Ein Land, das wirtschaftlich führend bleiben will, kann sich so viele Pausen nicht leisten.
Doch während aus Vorstandsetagen Effizienzparolen tönen, warnt der Deutsche Gewerkschaftsbund vor einer Entwertung sozialer Errungenschaften. Feiertage seien mehr als freie Tage – sie stifteten Identität, Gemeinschaft und Balance im Arbeitsleben.
Ökonomie trifft Emotion: Die Argumente für und gegen das Streichen von Feiertagen
Die Fronten sind klar: Die Wirtschaft ruft nach mehr Arbeitszeit, Arbeitnehmer nach mehr Wertschätzung. Peter Adrian, Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer, hält den Pfingstmontag für verzichtbar. ifo-Präsident Clemens Fuest geht noch weiter – er spricht offen davon, dass Deutschland einen Feiertag opfern müsse, um mehr Mittel für Verteidigung und Infrastruktur freizusetzen.
Auch Moritz Schularick, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, fordert gleich zwei weniger. Seiner Meinung nach sei das ein „notwendiger Modernisierungsschritt“. Wirtschaftliche Produktivität sei eben kein Geschenk, sondern eine Folge von Arbeitsleistung.
Doch Gewerkschaften halten dagegen. Der DGB Bayern fordert sogar das Gegenteil: Fällt ein Feiertag aufs Wochenende, soll er nachgeholt werden – so wie in Großbritannien, Polen oder den USA. Dort gibt es sogenannte „Substitute Days“, damit kein Feiertag verloren geht. Die Idee stößt auf Zustimmung bei Beschäftigten, die ohnehin unter Fachkräftemangel und Arbeitsverdichtung leiden.
Hinter der Debatte um das Feiertage streichen in Deutschland steckt also mehr als reine Zahlenlogik. Es geht um die soziale Frage: Wie viel Belastung ist zumutbar und wie viel Auszeit ist notwendig? Der Konflikt berührt das Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern – und damit die Kultur des Arbeitens selbst.
Feiertags Abschaffung: Wie sich Europa im Vergleich schlägt
Ein Blick über die Grenzen zeigt, dass Deutschland mit seinen Feiertagen im oberen Mittelfeld liegt. Laut Statistik variiert die Feiertage Anzahl Bundesländer Deutschland stark – von 10 in Berlin bis zu 14 in Augsburg. Diese Ungleichheit führt immer wieder zu Diskussionen, ob einheitliche Regelungen sinnvoll wären.
In anderen Ländern sieht das Bild gemischter aus. Italien arbeitet rund 391 Stunden mehr pro Jahr, Österreich 92 Stunden mehr. Frankreich hingegen liegt ähnlich wie Deutschland. Dennoch greifen viele deutsche Manager diese Unterschiede auf, um ihre Argumente zu stützen.
Dänemark hat 2024 vorgemacht, was in Deutschland derzeit nur diskutiert wird: Dort wurde ein Feiertag gestrichen, um rund 400 Millionen Euro zusätzlich in den Staatshaushalt zu lenken. Ob das Experiment langfristig Erfolg bringt, ist offen.
Doch der Vergleich hinkt. In Deutschland sind Feiertage Ländersache. Eine Feiertagsabschaffung müsste jedes Bundesland einzeln beschließen. Bayern, wo kirchliche Feiertage tief im Alltag verwurzelt sind, würde kaum einem solchen Schritt zustimmen. Berlin dagegen, mit nur zehn Feiertagen, könnte neue Modelle eher testen – dort wurde 2019 erstmals der Internationale Frauentag zum gesetzlichen Feiertag erklärt.
In dieser Vielfalt liegt ein weiterer Stolperstein: Was in München provoziert, kann in Hamburg kaum Reaktionen auslösen. Einheitliche Regelungen sind unwahrscheinlich, der Streit um die richtige Balance wird also bleiben.
Die Zahl der gesetzlichen Feiertage ist in Deutschland je nach Bundesland unterschiedlich:
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- Augsburg (Bayern): 14 Feiertage – inklusive des traditionsreichen Augsburger Friedensfestes
- Bayern: 13 Feiertage – Mariä Himmelfahrt gilt in rund 1.700 Gemeinden als zusätzlicher Feiertag
- Baden-Württemberg: 12 Feiertage
- Saarland: 12 Feiertage
- Nordrhein-Westfalen: 11 Feiertage
- Mecklenburg-Vorpommern: 11 Feiertage
- Rheinland-Pfalz: 11 Feiertage
- Sachsen: 11 Feiertage
- Sachsen-Anhalt: 11 Feiertage
- Thüringen: 11 Feiertage
- Berlin: 10 Feiertage – darunter der Internationale Frauentag und der Tag der Befreiung
- Brandenburg: 10 Feiertage – inklusive des Reformationstags
- Bremen: 10 Feiertage – inklusive des Reformationstags
- Hamburg: 10 Feiertage – inklusive des Reformationstags
- Hessen: 10 Feiertage
- Niedersachsen: 10 Feiertage – inklusive des Reformationstags
- Schleswig-Holstein: 10 Feiertage – inklusive des Reformationstags
Zwischen Wirtschaft und Wohlbefinden: Was die Debatte wirklich zeigt
Die Diskussion um das Feiertagsstreichen in Deutschland ist ein Spiegel gesellschaftlicher Spannungen. Auf der einen Seite stehen Zahlen, Bilanzen und Effizienz. Auf der anderen Seite Tradition, Religion und Lebensqualität.
Das Institut der deutschen Wirtschaft errechnete, dass ein gestrichener Feiertag dem Bruttoinlandsprodukt bis zu 8,6 Milliarden Euro bringen könnte. Eine gewaltige Summe – aber zu welchem Preis? Kritiker fragen, ob zusätzliche Stunden wirklich den entscheidenden Unterschied machen oder ob Burnout, Krankenstände und sinkende Motivation nicht teurer sind.
Feiertage sind mehr als Pausen. Sie strukturieren das Jahr, geben Raum für Familie, Begegnung, Erholung. In einer Gesellschaft, die ohnehin rund um die Uhr erreichbar ist, wird freie Zeit zum knappen Gut. Sie einfach zu streichen, könnte mehr zerstören als gewinnen.
Der Berliner Bischof Christian Stäblein brachte kürzlich eine ganz andere Idee ins Spiel: Statt weniger lieber einen neuen Feiertag – am 9. November. Ein Tag, der Mauerfall und Pogromnacht verbindet, als Zeichen für Freiheit und Verantwortung. Diese Idee fand Zustimmung bei Historikern, Ablehnung bei Ökonomen – und verdeutlicht, wie emotional das Thema ist.
Fazit: Die Debatte um das Feiertagestreichen in Deutschland wird so schnell nicht verstummen. Sie dreht sich längst nicht mehr nur um Zahlen, sondern um Werte. Wollen wir wirtschaftlich schneller werden oder menschlich bleiben? Vielleicht zeigt sich hier, wie wir als Gesellschaft Zukunft definieren – durch mehr Leistung oder durch bewusstes Innehalten. Solange beide Seiten überzeugt sind, das Richtige zu tun, bleibt eines sicher: Die Diskussion über freie Tage wird nie wirklich Feierabend machen.







