Es klingt nach einem Tabubruch: Feiertage streichen in Deutschland – ein Vorschlag, der sofort Emotionen weckt. Wer an lange Wochenenden, Glühwein im Winter oder Osterausflüge denkt, spürt, was auf dem Spiel steht. Doch hinter der Schlagzeile steckt mehr als nur eine Idee aus den Chefetagen. Es geht um Arbeitszeit, Produktivität und die Frage, wie viel Freizeit sich ein Land leisten will. Und genau diese Diskussion gewinnt gerade wieder Fahrt.
Wirtschaft fordert: Weniger Pausen, mehr Leistung
Die Rufe nach längeren Arbeitszeiten sind nicht neu, doch diesmal klingen sie lauter. Politiker, Wirtschaftsvertreter und Arbeitgeberverbände werfen einen kritischen Blick auf den deutschen Kalender. Sie sehen zu viele freie Tage, zu wenig Produktivität – und zu langsames Wachstum. „In keinem anderen Land gibt es so viele Feiertage und so hohe Krankheitsquoten“, betont Nicola Leibinger-Kammüller, Chefin des Maschinenbauers Trumpf. Vorschlag: den Ostermontag streichen.
Auch der Geschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, Bertram Brossardt, nennt konkrete Kandidaten. Ostermontag, Pfingstmontag und der zweite Weihnachtsfeiertag – Feiertage, die in anderen Ländern oft gar nicht existieren. Frankreich, Italien oder Dänemark würden sich wundern, wie still es an diesen Tagen in Deutschland ist. Brossardt sieht darin verschenktes Potenzial. Nach seiner Rechnung könnte die deutsche Wirtschaft durch die Streichung eines Feiertags jährlich um mehrere Milliarden Euro wachsen.
Fakten belegen: Deutsche Arbeitnehmer kommen im Schnitt auf rund 1.343 Arbeitsstunden pro Jahr – deutlich weniger als etwa in Österreich oder der Schweiz. Das klingt nach Fleiß im internationalen Vergleich, sieht aber aus Sicht vieler Unternehmer nach ungenutztem Spielraum aus. Die Idee: ein Feiertag weniger, mehr Output – und ein kräftiger Schub fürs Bruttoinlandsprodukt.
Welche Feiertage auf der Kippe stehen
Die Diskussion, Feiertage streichen Deutschland, entzündet sich vor allem an den kirchlichen Tagen. Sie sind über Jahrhunderte gewachsen, aber nicht überall gleich verteilt. Während Bayern und das Saarland mit bis zu 13 Feiertagen glänzen, kommen Berliner gerade einmal auf zehn. Ein kurzer Blick auf die Daten macht deutlich, wie stark die Unterschiede tatsächlich ausfallen:
- Augsburg führt mit 14 Feiertagen, dank des lokalen Friedensfests.
- Bayern folgt mit 13 – darunter Mariä Himmelfahrt.
- Baden-Württemberg und das Saarland haben 12.
- In Berlin, Bremen und Hamburg sind es 10.
Vor allem die katholisch geprägten Länder profitieren von zusätzlichen religiösen Feiertagen. In protestantischen Regionen oder Stadtstaaten dagegen ist der Kalender deutlich dünner. Das sorgt für Ungleichgewicht – und bietet Angriffsfläche für Wirtschaftsvertreter, die bundesweit mehr Einheit fordern.
Bertram Brossardt sieht den größten Hebel beim Pfingstmontag. Der Tag zwischen Frühling und Sommer sei wirtschaftlich ein „verlorenes Wochenende“. Auch der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer, Peter Adrian, plädiert für den Verzicht. Er spricht von „nötigen Mehranstrengungen“, um Verteidigung, Infrastruktur und Energieversorgung zu finanzieren. Der Chef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Moritz Schularick, geht noch weiter – er will gleich zwei Feiertage kippen.
Interessant: Dänemark hat diesen Schritt bereits vollzogen. 2024 wurde dort ein Feiertag gestrichen – mit dem Ziel, jährlich 400 Millionen Euro zusätzlich für den Staatshaushalt einzunehmen. Ob das wirklich so funktioniert, ist offen. Aber das Beispiel befeuert die Diskussion auch in Deutschland.
Kritik: Feiertage sind mehr als freie Zeit
Nicht jeder sieht in der Idee eines gestrichenen Feiertags eine Lösung. Gewerkschaften, Kirchen und viele Beschäftigte wehren sich vehement. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Bayern fordert sogar das Gegenteil: Fällt ein Feiertag auf ein Wochenende, soll er am Montag nachgeholt werden – so wie es in Großbritannien, den USA oder Polen längst üblich ist.
Ihr Argument: Die Deutschen arbeiten nicht zu wenig, sie arbeiten anders. Hohe Produktivität pro Stunde, Fachkräftemangel, Überstunden – all das spricht gegen die einfache Rechnung „mehr Tage = mehr Leistung“. Feiertage seien nicht nur Pausen, sondern soziale Fixpunkte. Sie schaffen Gemeinschaft, stiften Identität, geben Familien Zeit füreinander.
Auch politisch ist das Thema heikel. Feiertage sind Ländersache. Selbst wenn Berlin oder die Wirtschaft mehr Arbeitstage wollen, müssten alle Bundesländer zustimmen. In einem föderalen System mit religiösen und kulturellen Unterschieden ist das nahezu unmöglich. Und wer will sich schon in Bayern oder im Saarland hinstellen und Mariä Himmelfahrt zur Debatte stellen?
Einige Politiker drehen den Spieß um. Gitta Connemann von der CDU brachte zuletzt den Reformationstag als Streichkandidaten ins Spiel, während andere Stimmen lieber neue Gedenktage fordern – etwa am 9. November – dem Datum des Mauerfalls und der schrecklichen Pogromnacht. Der Berliner Bischof Christian Stäblein unterstützt diese Idee. Ein Feiertag, der an Freiheit und Verantwortung erinnert – das klingt nach mehr Sinn als nach weniger Freizeit.
Die Frage bleibt: Wie viel Arbeit verträgt ein Land?
Die Diskussion über „Feiertage streichen in Deutschland“ ist mehr als eine wirtschaftliche Rechnung. Sie berührt das Selbstverständnis einer Gesellschaft, die lange auf Ausgleich zwischen Arbeit und Freizeit gebaut hat. In einer Zeit, in der Arbeitskräftemangel, Digitalisierung und geopolitische Unsicherheiten den Druck erhöhen, suchen Politiker und Unternehmer nach jeder Stellschraube.
Wirtschaftsinstitute rechnen vor, dass ein einziger gestrichener Feiertag bis zu 8,6 Milliarden Euro mehr zum Bruttoinlandsprodukt beitragen könnte. Doch Geld allein ist selten ein überzeugendes Argument, wenn es um gelebte Kultur geht. Feiertage strukturieren das Jahr, schaffen Pausen, bringen Familien zusammen. Sie sind das, was Arbeitstage nicht bieten: Zeit für sich.
Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen. Ja, Deutschland braucht mehr Dynamik, mehr Wettbewerbsfähigkeit, mehr Mut. Aber vielleicht nicht auf Kosten der Momente, die Menschen durchatmen lassen. Arbeit funktioniert nur mit Erholung – und Feiertage sind die verlässlichsten Anker im hektischen Kalender.
Fazit: Ein Feiertag weniger – und was dann?
Am Ende läuft alles auf die gleiche Frage hinaus: Was bringt es, Feiertage zu streichen in Deutschland, wenn am Ende Motivation und Lebensqualität sinken? Ein Land, das immer nur rechnet, verliert irgendwann das Gefühl für Balance. Vielleicht braucht Deutschland nicht weniger Feiertage, sondern mehr Wertschätzung für Arbeit und Freizeit gleichermaßen.
Denn wer sich Pausen nimmt, kann auch Leistung bringen. Und wer die eigene Kultur achtet, findet eher Wege, sie zu bewahren – ohne dabei die Wirtschaft auszubremsen.







